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Lasteinleitungssystem mit Federgelenkstäben
für die Kalibrierung von Kraftaufnehmern

Eine Entwicklung im Auftrag der BMW AG München, SL-12, Kalibrierlabor, vorgetragen in Rahmen der DKD-Tagung am 9.09.1993 in München.

1. Einführung Die Lasteinleitung bei der Kalibrierung von Kraftaufnehmern muß so erfolgen, daß die Kraftwirkungslinie möglichst genau mit der geometrischen Achse des Aufnehmers übereinstimmt. Um dies zu erreichen, sind vor allem zwei Methoden üblich: In Prüfmaschinen für Festigkeitsuntersuchungen sind Kraftaufnehmer in der Regel mit einer kraftübertragenden Struktur fest verschraubt und erfahren einen ständigen Wechsel von Zug- und Druckkräften. Während der Kalibrierung sollte die Einbausituation dem tatsächlichen Prüfbetrieb möglichst nahe kommen; das gilt insbsondere für die Teile, mit denen der Aufnehmer unmittelbar Kontakt hat, da Geometrie und Nachgiebigkeit der Anschlußteile Kennwert und Nullsignal bei manchen Kraftaufnehmern erheblich beeinflussen können.

Im dritten Abschnitt werden das neue Lasteinleitungssystem und die herangezogen Auslegungskriterien beschrieben; danach werden Kennwerte der Anordnung für eine Reihe von Aufnehmern angegeben und mit denen von Kugelgelenken verglichen.

2. Reibungsbehaftete Gelenke Zur Abschätzung der Wirkung der Gelenkreibung wurden die Verhältnisse in der Paarung Bolzen / Bohrung mit der tragenden Länge L untersucht unter der Annahme konstanter Flächenpressung entlang des halben Umfanges. Dies wird die tatsächlichen Verhältnisse hinreichend genau wiedergeben, da einerseits von der spielbehafteten Paarung eine etwas geringere, von der Paarung Kugel / Hohlkugel eine höhere Reibung zu erwarten ist.

Die Integration der Reibkräfte dFr und der Vertikalkomponenten der Normalkräfte dFn liefert Gleichungen für die Radialkraft F und das übertragbare Reibmoment M; setzt man diese beiden Größen ins Verhältnis, so erhält man eine Exzentrizität e: Um dieses Maß e versetzt muß die Kraft F* tatsächlich wirken, damit sich der Bolzen in der Bohrung (bzw. die Gelenkkugel) unter Überwindung der Reibung verdrehen kann. Man erhält

e = M / F = µ p D / 4

Man kann die Exzentrizität e auf den Bolzendurchmesser beziehen und erhält ein Diagramm der bezogenen Exzentrizität e* als Funktion des Reibwertes µ:

e* = e / D = µ p / 4

Beispiel: Bei einem Reibwert von µ = 0,1 beträgt die bezogene Exentrizität e* = 0,079; bei einem Kugeldurchmesser von D = 22 mm für die Kalibrierung eines Kraftaufnehmers mit 10 kN Nennlast beträgt die Unsicherheit e der Lage der Kraftwirkungslinie

e = ± e* D = ± 0,079 * 22 mm = ± 1,73 mm.

In der Praxis ist der Reibwert jedoch eine unbekannte Größe. Katalogangaben darüber mögen für teflonbeschichtete Gelenklager günstigere Werte als 0,1 ausweisen, aber ob dies nach mehreren Jahren Einsatzzeit noch zutrifft, ist kaum kontrollierbar: Man hätte im Zweifel ein Gelenk mit 10 kN oder mehr zu belasten und dann das Reibmoment zu messen. Tatsächlich ist ein Fall bekannt, bei dem ein als wartungsfrei bezeichnetes Gelenk beim Einsatz in einem Prüfaufbau aufgrund drastisch gestiegener Reibung einen Biege-Dauerbruch an einem Kraftaufnehmer hervorgerufen hat.

3. Gestaltung und Dimensionierung der Federgelenkstäbe Bei dem für BMW entwickelten Krafteinleitungssystem wurden die reibungsbehafteten Kugelgelenke ersetzt durch Stäbe aus Vergütungsstahl 50 CrV 4, die in ihrer Mitte jeweils einen eingeschnürten, biegeelastischen Bereich aufweisen. Ein Ende des Federgelenkstabes ist jeweils zylindrisch ausgeführt für die Aufnahme in den hydraulischen Spannzeugen der Kalibriermaschine, das andere Ende wird direkt mit dem Kraftaufnehmer verschraubt. Dies erfordert u.U. eine große Anzahl von Federgelenkstäben, bietet aber auch die Chance für eine optimale Anpassung der Stäbe an den jeweiligen Aufnehmer.

Festigkeit

Bei der Dimensionierung wurden folgende Kriterien berücksichtigt:

Die Einbausituation der Federgelenkstäbe wird durch die Größen Gelenkabstand H G und Querversatz S Q beschrieben; daraus ergibt sich für das einzelne Gelenk der Beugewinkel PSI.



Knicksicherheit des Gesamtsystems

Kraftaufnehmer enthalten stets nachgiebig gestaltete Strukturen, damit die zur Kraftanzeige erforderlichen Materialdehnungen erzielt werden. Damit ist der gesamte Strang als Kette aus drei elastischen Gelenken anzusehen, der unter Druckbelastung ausknicken könnte. Daten über die reine Biegesteifigkeit der Aufnehmer sind von den Herstellern allenfalls unter Aufwendung einer beträchtlichen Hartnäckigkeit zu erhalten. Es zeigte sich aber, daß der Gelenkmittenabstand H G nur unwesentlich das entsprechende Maß bei Verwendung von Kugelgelenkköpfen überschreitet. Da mit dieser Anordnung bereits Erfahrungen vorlagen, wurde die Knickgefahr als gering angesehen. *(

Belastung des Aufnehmers durch Rückstellkräfte der Gelenke bei Querversatz

Bei relativem Querversatz der Einspannungen des Gesamtsystems aus zwei Gelenkstäben und einem Kraftaufnehmer entsteht ein linearer Biegemomentenverlauf mit einem Nulldurchgang in der Mitte zwischen den Federgelenken; an dieser Stelle wirkt neben der Längskraft eine reine Querkraft.

Einer geometrischen Veranschaulichung dient der Kennwert "Äquivalenter Querversatz der Nenn-Axialkraft": Hier wird ermittelt, um welchen Betrag E Q die Axialkraft seitlich verschoben werden müßte, um das an der Biegestelle des Federgelenkes vorhandene Biegemoment zu erzeugen. Diese Größe kann zur Beurteilung der Federgelenke verglichen werden mit den Abmessungen der übrigen Bauteile, mit möglichen Montagefehlern oder auch mit dem Streubereich der Kraftwirkungslinie reibungsbehafteter Gelenke.

4. Vergleich von Federgelenkstäben und Kugelgelenken In der folgenden Tabelle werden nach Definition der jeweiligen Kombination von Federgelenken und Kraftaufnehmer (Spalten 1 bis 6) die Eigenschaften von vergleichbaren Feder- und Kugelgelenken gegenübergestellt.

Elastische Eigenschaften des Federgelenksystems: Spalte 7 enthält die Biegesteifigkeit des einzelnen Federgelenkstabes. Die Querkraftreaktion Fq ist normiert auf einen Querversatz von f = 1 mm; danach wird dieser Wert nochmals bezogen auf die Nennkraft. In der Spalte "Versatz" wird die seitliche Verlagerung der Kraftwirkungslinie je mm Fluchtungsfehler der Kalibriermaschine angegeben.

Kugelgelenk: Neben dem Kugeldurchmesser üblicher Gelenkköpfe wird die bei einem Reibwert von µ = 0,1 zu erwartende Unsicherheit der Kraftwirkungslinie angegeben.

Gelenkstab-Beschreibung Laststrang Elastische Eigenschaften Kugelgelenk
 
Nennlast


 

Stab-Geometrie
mit Aufnehmer
Abstand
Steifigkeit
Querkraft
bezogen
Versatz
Kugel-Æ
Versatz
Vergleich
Fn
Dg
Lw
Herst.
Typ
H G
Cy
Fq/f
Fq/f/Fn
EQ/f
Dk
e
V
kN
mm
mm
   
mm
Nmm/rad
N/mm
%/mm
mm/mm
mm
±mm
-
                         
1
4,0
19,1
BMW
-90-
106
1,38E+05
24,59
2,46
1,303
22
1,728
1,33
2
4,5
34,3
HBM
U2A
148
1,23E+05
11,25
0,56
0,416
22
1,728
4,15
5
5,6
42,0
BMW
- 90-
136
2,41E+05
26,10
0,52
0,355
22
1,728
4,87
5
5,6
42,0
HBM
U9A
142
2,41E+05
23,94
0,48
0,340
22
1,728
5,08
                         
10
8,5
48,3
BMW
-91-
168
1,11E+06
78,95
0,79
0,663
22
1,728
2,61
10
8,5
48,3
HBM
U2A
160
1,11E+06
87,04
0,87
0,696
22
1,728
2,48
10
8,5
48,3
CSD
PM 10 Rn
308
1,11E+06
23,49
0,23
0,362
22
1,728
4,78
10
8,5
48,3
HBM
U9A
142
1,11E+06
110,50
1,11
0,785
22
1,728
2,20
16
14,0
73,1
CSD
PM 16 Rn
330
5,42E+06
99,49
0,62
1,026
35
2,749
2,68
                         
20
14,0
73,1
BMW
-105-
245
5,42E+06
180,50
0,90
1,106
35
2,749
2,49
20
14,0
73,1
HBM
U2A
245
5,42E+06
180,50
0,90
1,106
35
2,749
2,49
20
14,0
73,1
HBM
Z4
218
5,42E+06
227,98
1,14
1,243
35
2,749
2,21
25
14,0
73,1
CSD
PM 25 Rn
330
5,42E+06
99,49
0,40
0,657
43
3,377
5,14
                         
40
14,0
73,1
BMW
-71-
255
5,42E+06
166,62
0,42
0,531
43
3,377
6,36
40
18,0
84,4
CSD
PM 40 Rn
383
1,28E+07
174,81
0,44
0,837
43
3,377
4,04
50
18,0
84,4
HBM
U2A
310
1,28E+07
266,84
0,53
0,827
43
3,377
4,08
63
18,0
84,4
CSD
PM 63 Rn
383
1,28E+07
174,81
0,28
0,531
86
6,754
12,71
                         
100
22,0
101,3
CSD
PM 100 Rn
345
2,38E+07
400,56
0,40
0,691
86
6,754
9,78
100
22,0
101,3
HBM
U2A
402
2,38E+07
295,02
0,30
0,593
86
6,754
11,39

Vergleich: In der letzten Spalte wird zum Vergleich das Verhältnis der Querversatzwerte von Kugel- und Federgelenk bei f = 1 mm Fluchtungsfehler angegeben: V = e / (EQ/f). Danach ist der Fehler der Kraftwirkungslinie beim Federgelenkstab selbst bei sehr ungünstigen Annahmen um einen Faktor 1,33 bis 13 geringer zu erwarten als beim Einsatz von Kugelgelenken.

Erste Erfahrungen mit dem neuen System bestätigen, daß der hohe Aufwand der Herstellung einer großen Zahl von Federgelenkstäben durch eine erhebliche Verbesserung der Reproduzierbarkeit der Kalibrierergebnisse belohnt wird.


Anmerkung:

Da reibungsbehaftete Gelenke bei kleinen Momenten als starr anzusehen sind, Biegegelenke diese Nichtlinearität jedoch nicht aufweisen, wurde später für solche Kraftaufnehmer, für die die erforderlichen Daten über die Beigesteifigkeit beschafft werden konnten, eine Stabilitätsrechnung für den Dreigelenk-Strang durchgeführt. Die Befürchtung der elastischen Instabilität konnte zerstreut werden.

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